Bindungstrauma - Die vier Bindungstypen nach John Bowlby
Veröffentlicht von Sara Gonzalez in Bindungstrauma · Freitag 05 Mai 2023
Tags: Bindungstrauma, Entwicklungstrauma, Trauma, Psychosomatische, Beschwerden, Angst, Schlafstörungen, Beziehungsprobleme
Tags: Bindungstrauma, Entwicklungstrauma, Trauma, Psychosomatische, Beschwerden, Angst, Schlafstörungen, Beziehungsprobleme
Bindungstypen nach John Bowlby
Die Qualität der Bindung zwischen Erwachsenen und Kleinkindern ist zentral für das Leben eines Menschen. Wie sie sich entwickelt hat, zeigt später im Erwachsenenalter und in den dann gelebten Beziehungen. Das Verhalten in den Beziehungen kann aufgrund einer frühen sicheren Bindung entweder gesund oder im Verhalten gestört sein. Im Grunde sind die Erwachsenen immer bemüht, ihre Beziehungen so einzurichten, dass sie möglichst wenig leiden müssen, wiederholen aber ihre Bindungsmuster fortlaufend. Dazu erzähle ich mehr in meinen Videos, nun aber erstmal die Erklärung der Bindungstypen und ihrer Folgen.
Wie sieht eine sichere Bindung überhaupt aus? Ist eine soziale und emotional starke Bindung vorhanden, so kann das Kind Urvertrauen, Selbstvertrauen und Vertrauen in die Umwelt entwickeln.
Kinder kommen auf die Welt und wollen Liebe, Zuneigung und Geborgenheit erfahren. Hat der erste positive Kontakt zur Bindungsperson, also Mutter oder Vater stattgefunden, so kann die Bindung langsam und sorgfältig weiter aufgebaut werden. Dies dauert Zeit, da diese Bindung emotional stabil aufgebaut werden muss. Ist die Bindung soweit stabil, kann das Kind beginnen zu explorieren. Kinder sind von Hause aus neugierig und haben einen starken Entdeckungsdrang. Sie möchten ihre Umwelt erkunden. Gewinnbringende Exploration ist nur möglich, wenn eine sichere Bindung vorhanden ist.
1. Der sichere Bindungstyp
Der erste Bindungstyp ist also eine Sichere Bindung. Wie ist diese sichere Bindung geprägt? Mutter und Vater zeigen Feinfühligkeit und schnelle Reaktion auf etwaige Bedürfnisse des Kindes. Die Bindungsperson lernt die Signale des Kindes richtig zu deuten. Wenn das Kind beispielsweise um die Mittagszeit schreit, weiss die Bindungsperson, dass es Hunger hat oder müde ist. Wenn das Kind nach dem Essen und schlafen legen zufrieden ist, weiss die Bindungsperson, dass sie die Bedürfnisse des Kindes richtig gedeutet hat. Zudem kann die Bindungsperson sich dazulegen und das Kind streicheln oder ihm etwas vorlesen, bis es eingeschlafen ist. Idealerweise ist das Kind dazu im selben Raum, wie die Bindungsperson, z. B. in der Küche oder im Wohnzimmer. So kann die Mutter oder der Vater sofort reagieren, wenn das Kind wach wird und schreit.
Ein Kind stören Hintergrundgeräusche wie Geschirrklappern oder Kochen nicht. Auch Musik kann sehr angenehm für das Kind sein, sowie auch Gerüche der Bindungsperson im Raum wahrzunehmen. Dies steigert in der Regel das Wohlbefinden noch. Wenn das Kind nach etwas greift oder etwas deutet, weiss die Bindungsperson, dass sie darauf reagieren sollte.
Auch wenn das Kind eine bestimmte Sache schon etliche Male ausgeführt hat, regt sich die Bindungsperson nicht auf sondern unterstützt das Kind wieder und wieder bei seinen Erfahrungen.
Es ist normal dass ein kleines Kind weint oder schreit, wenn die Bindungsperson den Raum verlässt. Dabei lässt es sich auch nicht von anderen, vielleicht im Raum anwesenden Personen, beruhigen. Reagiert die Bindungsperson auf das Weinen oder Schreien und betritt den Raum, tröstet das Kind und beruhigt ist, so lernt das Kind, dass es sich auf die Bindungsperson verlassen kann und kann sich wieder dem Explorieren zuwenden. Ein solches Kind baut auf die Erfahrungen auf, die es schon gemacht hat, dass immer Sicherheit, Kontakt, Reaktion und Zuwendung gegeben ist und kann nun eine weitere, vertrauensbildende Erfahrung abspeichern.
Ein solches Kind wird im Erwachsenenalter gut auf Menschen zugehen können, Freundschaften und Beziehungen knüpfen können, gut kommunizieren können, in sich selbst und in die Umwelt vertrauen können.
Kinder können aus einer sicheren Bindung einen unsicher vermeidenden Bindungstyp entwickeln, wenn das Kind verletzt, ignoriert oder zurückgewiesen wird. In der Bindungsforschung werden die unsicher gebundenen Kinder in 3 Kategorien unterteilt:
- Der unsicher vermeidende Bindungstyp
- Der unsicher ambivalente Bindungstyp
- Der unsicher desorganisierte Bindungstyp
2. Der unsicher vermeidende Bindungstyp
Ich beginne mit dem unsicher vermeidenden Bindungstyp. Dieser entsteht durch zurückweisendes oder ablehnendes Verhalten der Eltern.
Kinder lassen sich bei ihrer Exploration nicht stören, auch nicht, wenn die Bindungsperson den Raum verlässt. Man meint erstmal, dass dies darauf hindeutet, dass das Kind ein sicheres Selbstwertgefühl und eine Stabilität im Vertrauen aufweist. Aber leider ist genau das Gegenteil der Fall. Dieses Kind hat gelernt, dass nicht auf seine Bedürfnisse eingegangen wird, egal was es dafür tut.
Das Kind wird sich zu Beginn mehrfach um Aufmerksamkeit bemüht haben, was aber nicht zum angestrebten Ergebnis geführt hat. Insofern hat es bereits aufgegeben, sich weiter um Beachtung oder Erfüllung seiner Bedürfnisse zu kümmern. Dies kann dazu führen, dass das Kind mit Frust oder negativen Emotionen nicht umgehen kann.
Desweiteren hat es kein positives Selbstbild entwickeln können. Dieses kommt zustande durch das Bild, welches das Kind von sich hat und das Bild, welches Andere von dem Kind haben. Wenn das Kind früher seine Bedürfnisse nicht erfüllt bekommen hat, und das Kind zurückgewiesen wurde, so besteht für das Kind die Annahme, dass die Eltern kein Interesse an ihm haben. Das Wesen des Kindes kann dann in der späteren Entwicklung zu ängstlichem, aggressivem oder antisozialen Verhalten münden.
Es gab dadurch keinen Halt in der Familie und das hat das Kind gespeichert und weiss, wenn es etwas möchte, kann es sich nicht auf die Eltern verlassen oder wird sogar zurückgewiesen. Vermutlich haben diese Eltern in ihrer eigenen Kindheit keine Wärme und Geborgenheit von ihren Eltern erfahren. Deshalb fällt es ihnen schwer, auf das Kind zuzugehen und ihm zu geben, was es für die Ausbildung einer stabilen Basis braucht.
3. Unsicher ambivalenter Bindungstyp
Das Kind dieses Typs hat unsichere Verhaltensweisen der Eltern gelernt, dh dass die Eltern in ihrem Verhalten häufig hin und her schwanken. Sie sind für das Kind nicht konstant und daher sehr unsicher. Mal sind diese Eltern überschüttend mit Aufmerksamkeit und dann wieder ablehnend. Das Kind muß daher immer schauen, wie sind meine Eltern gerade drauf, haben sie gute Laune oder schlechte?
Diese Kinder leben in ständiger Angst verlassen zu werden, sind daher sehr unruhig, unsicher oder auch sehr anhänglich.
Das Gefühl auf sich alleine gestellt zu sein, ist im Kindesalter sehr gefährlich. Deshalb zeigen diese Kinder häufig ein sehr ambivalentes Verhalten, also ein gegensätzliches Verhalten. Mal ist das Kind aggressiv, dann wieder sehr liebevoll und sucht die Zuneigung der Eltern. Wie sind hier nun die Folgen?
Das Kind zeigt beim Verlassen der Mutter starke Trauer, Angst und weinen häufig. Normalerweise würde dann die Mutter zurückkommen. Dadurch, dass das Kind aber kein konstant sicheres Bindungsverhalten erlernt hat, kann es selbst, wenn die Mutter dann zurückkommt Aggressionen zeigen. Dies kommt dadurch, dass es sich in vielen Fällen nicht auf die Mutter verlassen konnte und dadurch nicht weiß, ob das jetzt gut tut oder ob es im nächsten Moment erneut verlassen wird. Es zeigt auch keine Wiedersehensfreude. Ausserdem ist die Explorationsfreude der unsicheren ambivalenten Kinder stark eingeschränkt, da die Eltern es nicht geschafft haben dem Kind genug Raum, Rückhalt und Unterstützung zu geben.
4. Unsicher desorganisierter Bindungstyp
Diese Kinder haben ziemlich sicher Eltern, die ihre eigenenTraumata nicht verarbeitet haben. Dies spüren die Kinder. Sie spüren, dass sie sich nicht auf die Eltern verlassen können. Desweiteren haben diese Bindungstypen oftmals Gewalt und/oder Missbrauch erfahren. Ist dies der Fall, sind Mutter und Vater als Bezugspersonen komplett ungeeignet, da sie oftmals selbst die Täter in dieser Entwicklung sind. Dabei sollten Eltern das Kind schützen und behüten, damit es eine sichere Bindung entwickeln kann. Waren die Eltern die Täter oder konnten das Kind nicht vor Tätern aus dem Aussen schützen, so kann es sein, dass das Kind kaum Liebe und Geborgenheit gespürt hat. Was sind hier die Folgen eines solchen Bindungstyps? Das Kind reagiert bei Trennung oft wiedersprüchlich. Manche Kinder werden den Eltern gegenüber aggressiv oder entwickeln stereotype Verhaltensweisen. Dies zeigt sich häufig insbesondere dann, wenn die Kinder plötzlich in Bewegungen einfrieren. Das passiert häufig bei ängstlichen Kindern. Dabei brauchen genau diese Kinder soviel Liebe und Aufmerksamkeit, haben aber gleichzeitig Angst, verletzt zu werden und können deshalb im Erwachsenenalter keine gesunden Bindungen in Beziehungen entwickeln.
Bei Kindern dieses Bindungstyps wurden im Speichel erhöhte Stresshormone nachgewiesen. D. h. Das Kind kann sich nicht auf seine Bindungsperson verlassen und erwartet auch keine Hilfe. Ein solches Kind wird Beziehungen eher vermeiden, denn Bindung ist in seinen Augen eher verletzend und nicht hilfreich.
Die unsicheren Bindungstypen können allein durch diese unstete Entwicklung eine Verlustangst entwickeln, es muß also nicht mal erfahren haben, dass eine Trennung der Eltern stattfand, es reicht schon, dass es die Bindung an die Eltern als unsicher erfahren hat. Ein Kind fühlt sich in einer unsicheren Bindung ständig gefährdet, allein auf sich gestellt zu sein, was letztlich bedeutet, dass es den Gefahren der Umwelt gegenüber ausgeliefert ist.
Auch als unsichere Bindungspersonen wird ein Kind Eltern empfinden, die häufig streiten. Das geht soweit, dass das Kind sich schuldig fühlt, verantwortlich fühlt, an den Streitigkeiten etwas ändern möchte, da es diese nicht mehr aushalten kann und sich dadurch hilflos ausgeliefert fühlt. Ein solches Kind trägt viel zu früh eine Verantwortung, die es nicht tragen kann und dadurch kann es Schuldgefühle und Ängste entwickeln, die später auch in Panikattacken münden können, da durch die Übernahme der zu frühen Verantwortung die Kinder unter einer zu großen Belastung leiden.
Jetzt habe ich Dir die 4 Bindungstypen vorgestellt und Du hast eine Ahnung davon, wie Du eine sichere und stabile Bindung zu Deinem Kind herstellst. Dies ist die Basis für das ganze Leben Deines Kindes und Du kannst dafür sorgen, dass Dein Kind später im Erwachsenenalter abwechslungsreiche, von Liebe und Zuwendung geprägte Beziehungen in jedem Bereich seines Lebens führen kann.